Unsere Positionen


Theoretischer und Methodischer Pluralismus

 In der Wirtschaftswissenschaftlichen Lehre, Forschungs- und Beratungspraxis herrscht eine tiefsitzende Einseitigkeit vor. Die Neoklassische Schule wird heute als DIE Ökonomik angesehen und überall gelehrt, vor allem auch als Grundlagenwissen für Studenten anderer Fachrichtungen, die mit etwas anderem als der Neoklassik praktisch nie in Kontakt kommen. Ableitungen und Schlussfolgerungen, aber auch Annahmen der Neoklassik werden als ökonomische Wahrheit verkündet.

 

Die heutige Vielfalt in der Ökonomik, die es durchaus gibt, ist eine neoklassische Vielfalt. Die meisten der praktizierten Schulen sind Schwestertheorien der Neoklassik, die von ähnlichen Annahmen ausgehen, die selben Modellierungen verwenden, die selben Normationen setzen. Vielfalt existiert derzeit fast nur in einem neoklassischen Paradigmenraum.

 

Wir setzen uns dafür ein, andere Inhalte, andere Schulen, Theorien und Paradigmen in deutlich stärkerem Umfang zu vermitteln und sie NEBEN, nicht unter oder innerhalb der Neoklassik zu positionieren.

 

Aufgabe des Wertfreiheitspostulates und Abkehr vom Positivismus

In der Ökonomik ist die Selbstwahrnehmung als eine wertneutrale, positivistische Wissenschaft sehr verbreitet. Es wird davon gesprochen, ökonomische Grundgesetze bzw. „dauerhafte Wahrheiten“ (Samuelson) zu vermitteln, mithin neutrale Aussagen darüber zu machen, wie sich der Gegenstand Wirtschaft in seinen Einzelheiten scheinbar objektiv betrachtet verhält.

 

Wir vertreten den Standpunkt, dass Sozialwissenschaft unausweichlich normativ ist, also nicht wertneutral, nicht positivistisch arbeiten kann. Die Normativität beginnt bereits mit der Richtung des Erkenntnisinteresses, welchem Aspekt des Gegenstands Wirtschaft also die Aufmerksamkeit zugewendet wird. Auch die begriffliche Fassung des Gegenstandes sowie die Grundannahmen und Axiome bedeuten eine normative Stellungnahme. Das neoklassische Kategoriensystem trägt, wie jedes andere auch, eine Normativität in sich, sowohl in seinen Thematisierungen als auch und besonders in seinen nicht-Thematisierungen.

 

Das gleiche gilt für den Geltungsanspruch, den die Ökonomik erhebt, zum Beispiel der universelle Geltungs- und Gestaltungsanspruch im Ökonomischen Imperialismus (Gary Becker), oder allgemeiner in der akademischen Lehrpraxis, der Grundlagen-Ausbildung angrenzender Fachbereiche oder in wirtschaftswissenschaftlicher Beratungstätigkeit.

 

Ökonomik kann sich nach unserer Auffassung nicht für oder gegen Normativität entscheiden, denn sie ist unvermeidlich normativ. Sie kann sich nur für oder gegen eine ethische Reflexion dieser ihrer Normativität entscheiden. Wir setzen uns hier für diese kritische Reflexion ein.

 

Methodisch saubere Verwendung der Mathematik

Die Anwendung der Mathematik, wie sie faktisch stattfindet in der Ökonomik, ist durchaus fragwürdig. An einigen Stellen lassen sich Methodenfehler feststellen und auch die Übertragung von mathematischen Modellen auf die Realität, also der Geltungsanspruch mathematisch-formaler Ökonomik, ist problematisch. Die mathematische Erklärung menschlichen Verhaltens ist in der Ökonomik immer noch weit verbreitet. Die Studiengänge der Wirtschaftswissenschaft vermitteln zunehmend mathematische Inhalte, ohne jedoch deren Positionierung als nurmehr Modelle darzulegen oder sie angemessen durch nicht-mathematische Inhalte zu relativieren.

 

Die aktuelle Verwendung der Mathematik in den Wirtschaftswissenschaften muss aus unserer Sicht kritisch überdacht werden, der Stand der Mathematik neben anderen Inhalten relativiert werden, die Methodik der Verwendung der Mathematik muss verfeinert werden. Ökonomik in nicht-mathematischer Formulierung muss breiter anerkannt werden.